Versuch eines Schnellinventars mittelalterlicher Wandmalerei (nicht destruktiv, aber doch mit einem taktilen Hauch)

Dr. Walter Schudel und Prof. Dr. Anna Bergmans

 

Die Malkunst entwickelte sich in den Niederlanden auf andere Weise als in Italien. Bei uns wurde auch auf der
Wand gemalt, in Italien malte man vor allem Wandmalereien.
Der Unterschied dieser Entwicklungen blieb für die hiesige Anerkennung der Wandmalerei im allgemeinen, und ganz besonders für die 'Anerkennung' der sogenannten dekorativen Wandmalerei nicht ohne Folgen. In unseren Gegenden liegt die Wandmalerei, jedenfalls die dekorative, fast gänzlich außerhalb des Interesses der Kunstgeschichtsschreibung. Meistens wird diese Art von Malerei herabschätzend 'nur' dekorativ genannt. Es stimmt:

  • das (dekorative) Wandbild ist nicht so anekdotisch wie das Staffeleibild. Man kann weniger darüber erzählen, seine Gestaltung ist eher konkret (es geht hier um Tendenzen)
  • (dekorative) Wandmalerei ist oft die Arbeit einer Werkstatt. Als immobile Kunst kann sie zudem nicht vermarktet werden (sie ist nichts wert, in mehr als einer Beziehung), eine 'Marke' hat dann auch nicht viel Sinn
  • aus maltechnischer Sicht scheint Wandmalerei weniger gepflegt und dazu viel einfacher zu sein als Staffeleibilder, billig also.

Diese zu Ungunsten der (dekorativen) Wandmalerei formulierten Ansichten übersehen ganz und gar ihre eigene Art und Qualität. Methodisch korrekt ist aber nur eine Beurteilung nach den Kriterien der eigenen Art. Für die Wandmalerei lassen sie sich dahingehend umschreiben, daß sie einem Raum einen bestimmten Ausdruck verleiht, damit der Mensch (vor allem der Auftraggeber) sich darin körperlich (taktil) und geistig wohl fühlen kann: heute, morgen und übermorgen. Mit welchen Mitteln geschieht das? Dieser zentralen Frage spürt unser Vortrag nach.

Für eine anstehende Pflege der mittelalterlichen (dekorativen) Wandmalereien in Belgien braucht es ein Inventar. Damit die Pflege nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich gezielt erfolgen kann, muß das Inventar die Eigenheiten der Wandmalereien berücksichtigen. Verzichtet man darauf, würden die genannten Wandmalereien in höchstem Maße schlecht verstanden und stillschweigend, wie bislang so häufig der Fall, nach falschen Kriterien gepflegt und restauriert.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 01.07.2009
zum Seitenanfang/up