Auf der Suche nach Anonymen: ein Brügger Maler des frühen 16. Jahrhunderts und ein neuzeitlicher Fälscher im Vergleich

Dr. Didier Martens

 

Ist es dem Kunsthistoriker möglich, einer bestimmten Hand Fälschungen zuzuweisen? Lassen sich die gleichen Zuschreibungsmethoden auf 'echte' wie auf 'unechte' Gemälde anwenden? Kann man sich vorstellen, ausgehend von Bildvergleichen das Œuvre eines Fälschers zu rekonstruieren, so als ob es sich um einen anonymen Maler des Spätmittelalters handle?

Zunächst neigt man als Kunsthistoriker dazu, solche Fragen entschieden zu verneinen. Von Natur aus versucht der Fälscher, seine eigene künstlerische Persönlichkeit zu verbergen. Sie ist viel zu sehr das Produkt der Zeit und der Kultur, in der er lebt, und kann ihn deshalb als Zeitgenossen des Zielpublikums, für das er arbeitet, allzu leicht verraten. Ein Fälscher kann sich nur erhoffen, die Meister der Vergangenheit überzeugend nachzuahmen, wenn er es schafft, seine Künstlersubjektivität zu verdrängen. Er muß sie bis zu einem gewissen Grad ausschalten.

Ganz anders geartet ist die Situation eines Malers, der für das zeitgenössische Publikum arbeitet und sich zumindest seit dem 15. Jahrhundert ein gewisses Maß an Individualität leisten kann. Durch Übung und Routine, vielleicht auch, um sich gegenüber Konkurrenten zu profilieren, wird er einen persönlichen Stil entwickeln, der ihn erkennbar macht.

Ist dem aber wirklich so? Läßt sich der Gegensatz zwischen 'echten' Meistern des Spätmittelalters und ihren Nachahmern der Neuzeit so eindeutig formulieren? Ziel des Referates ist es zu zeigen, daß keine so klare Grenze zwischen beiden Gruppen von Bildproduzenten zu ziehen ist und daß der Kunsthistoriker, der sich für Zuschreibungen interessiert, aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sowohl mit authentischen Altmeistern wie mit neuzeitlichen Fälschern lernen kann. Darum wird im Zentrum des Referates die Rekonstruktion zweier Œuvrekataloge stehen: derjenige eines Brügger Malers aus der Umgebung von Gerard David und derjenige eines um 1900 wohl in Belgien tätigen Memling-Fälschers.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 01.07.2009
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