Auf der Suche nach den Meistern in der nordniederländischen Buchmalerei

Dr. Anne S. Korteweg

 

Im Zentrum des Vortrags steht die Frage nach der unterschiedlichen Stellung der an der Produktion illuminierter Handschriften Beteiligten: Auftraggeber, Schreiber und Maler. Anders als bei der Tafelmalerei, wo der Maler - wenn auch im Dialog mit dem Auftraggeber - das Endprodukt weitgehend selbst bestimmt, sind bei illuminierten Handschriften mehrere Ausführende beteiligt, von denen nicht der Maler, sondern der Schreiber die wichtigste Rolle spielt. Er entscheidet über das Format des Buches, das Layout der Seite und legt zudem den Umfang des eventuell anzubringenden Buchschmuckes weitgehend fest, obgleich auch hier wohl in Übereinstimmung mit den Wünschen des Auftraggebers.

Gerade die Rolle des Schreibers wurde in der kunsthistorischen Forschung bislang oft übersehen, weil man aus eigener beschränkter Sicht ohne weiteres vom Primat der Buchmalerei ausging. Sich namentlich nennende Schreiber wurden so meist als Maler angesprochen. Erst neuerdings findet die Einsicht Eingang, daß das Schreiben, das Anbringen von Fleuronné oder das Malen von Dekor und Miniaturen grundverschiedene Tätigkeiten sind, die jede für sich eine eigene handwerkliche Ausbildung erfordert. Es folgt die Erkenntnis, daß - zumindest in den Städten -, diese unterschiedlich geartete Arbeit unabhängig voneinander stattfinden kann und wohl auch stattgefunden hat. Hier begegnet die neue Rolle des Organisators, sei es der Schreiber, der "libraire" oder der Maler, der als Unternehmer den Auftrag zur Herstellung einer Handschrift übernommen hat. Auf ähnliche Weise sind wohl auch die Arbeitsverhältnisse in Malergruppen zu überdenken, die im gleichen Stil arbeiten. Nahm Doug Farquhar 1977 noch an, daß solche Stilübereinstimmungen aus eine Organisationsform entstanden, bei der die Maler unter der Führung eines Werkstattleiters "wie am Fließband" damit beschäftigt waren, Handschriften so ähnlich wie möglich auszustatten, wird immer deutlicher, daß auch die Buchmaler sich kaum von anderen mittelalterlichen Handwerkern unterscheiden: kleine Selbständige, eventuell unterstützt von Familienmitgliedern oder einem einzigen Lehrling. Bleibt die Frage nach der Entstehung von Handschriftengruppen, die im gleichen Stil gemalt sind, wobei sowohl die Menge der erhaltenen Stücke wie auch die Unterschiede untereinander es unmöglich machen, sie einer einzigen Person zuzuschreiben. Bei der Erforschung der nordniederländischen Buchmalerei versucht man vorerst der Lage gerecht zu werden, indem man im Anschluß an die aus der französischen Buchmalerei vertraute Rede etwa vom "Bedford-Trend" nicht vom Meister, sondern von Meistern (von Otto van Moerdrecht, von Zweder van Culemburg, usw.) spricht.

Der Vortrag wird sich mit diesen und ähnlichen Problemen befassen und, wenn auch keine maßgerechten Lösungen, so doch Gedankenanstöße zum Komplex Schreiber - Maler - Auftraggeber von nordniederländischen Handschriften und ihrer jeweiligen Rolle formulieren.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 01.07.2009
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