Bauhistorische Kurzuntersuchung im Langchor der Franziskanerkirche Esslingen

Im Vorfeld der Ausstellung "Zwischen Himmel und Erde – Klöster und Pfleghöfe in Esslingen" führten Tina Maul M.A. und Tina Schöbel M.A. auf Anfrage des Stadtmuseums Esslingen eine bauhistorische Kurzuntersuchung im Langchor der ehemaligen Franziskanerkirche in Esslingen durch, die von Prof. Dr. Matthias Untermann betreut wurde.

 

Blick in den LangchorAußer dem heute als evangelische Kirche genutzten Langchor hat sich von der Franziskanerkirche des späten 13. Jahrhunderts nur noch der anschließende Lettner erhalten. Anbauten des Mittelalters an den Langchor wurden entfernt und im Süden schließen sich heute Gebäude des 20. Jahrhunderts an. Der Fokus der Bauuntersuchung lag auf der unteren Wandzone östlich des heutigen Chorgestühls. Es sollte vor allem die Frage nach dem ehemaligen Fußbodenniveau geklärt werden.

 

 

 

 

 

 


 

Blick in den Langchor

 

Die Auswertung der aufgenommenen Befunde, Oberflächengestaltungen und Steinmetzzeichen ergab folgende Ergebnisse:
Der Fußboden im Langchor der Esslinger Franziskanerkirche lag deutlich über dem jetzigen Bodenniveau. Bei der Erbauung des Langchores im 13. Jahrhundert wurde der Altarraum L-förmig bis vor die Sediliennische gezogen und lag 10 cm höher als der aktuelle Bodenbelag im Polygon. Zwei Stufen niedriger erstreckte sich der Boden des restlichen Langchors, der sich damit 40 cm über dem heutigen Niveau befand. Im westlichen Bereich müssen noch zwei weitere Stufen auf das Niveau der Lettnernischen hinabgeführt haben. Sie lagen vermutlich im Bereich des mittleren Lettnerjochs, wobei auch eine Abstufung im ersten Langchorjoch nicht komplett auszuschließen ist.

 

Piscina

Sediliennische

Piscina
Sediliennische

 

Sowohl Piscina als auch Sediliennische im Polygon sind bauzeitliche Kleinarchitekturen. Die Sitznische besaß ursprünglich eine hölzerne Auskleidung und eine steinerne Stufe vor dem Mittelsitz. Die Reste der Farbfassung und drei Halbfiguren unter den Maßwerk-Couronnements sind noch gut zu erkennen.

Drei Türen führten vom Chor zum Friedhof (Nordosten), zur Sakristei (Südosten) und zum Kreuzgang bzw. Treppenturm (Südwesten). Das Chorgestühl aus dieser Zeit erstreckte sich zwischen diesen Türen und reichte bis fast an die Konsolen der abgekragten Dienste.

 

Reliquienschrank

Tabernakelnische

Reliquienschrank
Tabernakelnische

 

Im 14. Jahrhundert wurden verschiedene Veränderungen vorgenommen. Zu dieser Umgestaltungsphase gehört wohl die mit Wandmalerei umrahmte Tabernakelnische im Osten der Nordwand. Die unterste Farbschicht des Chors in Rosa gehörte entweder zu diesem Wandgemälde oder zeigt den Rest einer mittelalterlichen Fassung der Kirche. Diese kann jedoch irgendwann zwischen der Entstehung und dem 16. Jahrhundert angebracht worden sein. Um 1400 wurde der mit bemalten Türen verschlossene Reliquienschrank weiter westlich eingebaut, ein Franziskusaltar errichtet und ein Wandgemälde darüber angefertigt. Dafür musste wahrscheinlich das Chorgestühl ein Stück gekürzt werden. Später im 15. Jahrhundert wurde die kleine Tür zur neu gebauten Georgskapelle in die Nordwand gebrochen. Nur bei einer Abstufung des alten Chorbodens im ersten Joch wäre dieser Zugang für den Priester ebenerdig gewesen. Zog sich das alte Bodenniveau des Chors bis an die Westwand, kann diese Tür lediglich durch zwei Stufen nach unten erreichbar gewesen sein.

Etwa im 17. Jahrhundert wurde der - inzwischen nicht mehr klösterliche - Chorraum weiß getüncht. Eine braune Fassung mit weißem Fugenstrich wurde vermutlich für die Nutzung des Chores durch die Katholiken 1860 angebracht. Die Sockel und Konsolen waren passend dazu abwechselnd braun und blau gefasst. Dementsprechend dürften auch die Fassungen der Kapitelle und Gewölbescheitel aus dieser Zeit stammen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Boden auf das heutige Niveau abgesenkt worden. Verschiedene mit Dübeln befestigte Einbauten sind bis zu dieser Phase verschwunden, die Löcher in den Wänden wurden mit dunklem Mörtel zugesetzt.

 

Untere Wandzone des Chorpolygons

Sockel eines Dienstes im Chorpolygon

Untere Wandzone des Chorpolygons
Sockel eines Dienstes im Chorpolygon

 

Im 20. Jahrhundert wurden bei einer Restaurierung des Langchors die jüngeren Farbfassungen abgenommen, um mittelalterliche Malereien freizulegen. Einige Restspuren blieben jedoch erhalten. Die untere Wandzone wurde damals mit dem Scharriereisen und die Fassung der Basensockel mit Fläche überbearbeitet. Aus dieser Zeit müssen auch die neuen Dienstsockel und – trommeln am Beginn des Chorpolygons stammen. Die ungenutzte, nordöstliche Friedhofstüre wurde zugesetzt.

Die ausführliche Dokumentation zu diesem Projekt liegt im Archiv des Landesamtes für Denkmalpflege Esslingen.

Text: Tina Schöbel
Fotos: IEK Heidelberg (Tina Maul & Tina Schöbel) / Innenansicht: Evangelischer Kirchenbezirk Esslingen

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Letzte Änderung: 01.11.2012