Der romanische Kirchturm in Stetten

Stetten Suedansicht
Photogrammetrie der Südseite (Ingenieurbüro Fischer, Müllheim) mit den Nummern der in der Dokumentation beschriebenen Bauteile und Befunde

Der Turm der Pfarrkirche in Stetten (Pfalz) ist ein bemerkenswerter romanischer Westturm mit reicher Bauskulptur. Im Rahmen der Restaurierungsmaßnahmen untersuchte Stefanie Fuchs im Herbst 2005 den Turm unter Betreuung von Prof. Untermann im Auftrag des Diözesanbauamts des Bischöflichen Ordinariats Speyer und in enger Abstimmung mit Dipl. Ing. Pia Heberer vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Mainz). Aufgabe war die Klärung der Frage, ob sich die Gestaltung des Turms mit der dendrochronologischen Datierung eines dort verbauten Holzbalkens auf die Zeit um 1080 in Übereinstimmung bringen lässt.

Das romanische, zum Turm gehörende Langhaus der Kirche ist teilweise ergraben; heute schließt eine barockes Langhaus mit gotischem Sanktuarium an den Turm an, zu dem dieser in seinem Untergeschoß durch ein Rundbogenportal geöffnet ist.

Turm und Bauplastik wurden detailliert beschrieben und die ältere Literatur zum Turm gesichtet sowie nach vergleichbaren Bauten gesucht. Außerdem wurden die Profile der einzelnen Bauglieder abgenommen und maßstäblich umgezeichnet.

Dipl. Ing. Rainer Zahn (Ludwigshafen) entnahm neue dendrochronologische Proben in Turm und Langhaus, die durch Dipl. agr. biol. Jutta Hofmann (Nürtingen) untersucht wurden. Sie ergaben für einen Balken des Glockengeschosses eine Datierung um 1215, die Balken des Turmhelms und damit der Turmhelm selbst entstammen der Zeit um 1750.
 

 

 

 

 

 

Stetten Profile der Sattelkaempfer
Die Profile der Sattelkämpfer im obersten Turmgeschoss (entsprechen Nr. 21 auf dem Plan oben)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der Türsturz zeigt als Steinbearbeitung eine gemusterte Abflächung

 

 

 

 

 

 

 

Die Untersuchung der Steinbearbeitung und der Bauformen führt zu einem neuen, besser abgesichertem Datierungsvorschlag für eine Bauzeit des Turms am Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts.

Ausschlaggebend dafür waren die Steinbearbeitung und die Form der Sattelkämpfer des (obersten) Glockengeschosses und Ausarbeitungen der Reliefs, wie etwa die Trichterärmel der dargestellten Figuren, die in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts in Mode kommen.



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Paardarstellung auf einer Konsole im unteren Geschoss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Turm zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus - so findet sich eine Fülle an figürlichen Darstellungen die so nur an wenigen weiteren ländlichen Orten der Umgebung zu finden ist (etwa Colgenstein oder Dackenheim). Durch die schlichte Gestaltung der Reliefs und die fortschreitende Verwitterung lässt sich oft nicht mehr entschlüsseln, was dargestellt werden sollte.

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Konsole mit Maskengesicht

 

Außergewöhnlich war ursprünglich auch der Zugang zum Obergeschoss des Turms. Heute gelangt man durch die breite Tür in das unterste Turmgeschoss und damit ins Kircheninnere. Vor 1902 führte die Tür jedoch zu einer Treppe ins Obergeschoss - in das Erdgeschoss des Turms gelangte man nur über die Kirche. Möglicherweise hat sich hier eine Kapelle befunden.

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Platte im obersten Turmgeschoss mit Namenskürzeln von Handwerkern und der Jahreszahl 1860 am unteren Rand des Steins


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Bau selbst wurde außerdem nach Spuren von Bauunterbrechungen und Renovierungsmaßnahmen gesucht. Bauunterbrechungen ließen sich nicht nachweisen - der Turm scheint also „in einem Guss“ fertiggestellt zu sein. Dagegen konnten einige ausgetauschte Quader und Fugenerneuerungen den aus der Literatur bekannten Renovierungsmaßnahmen zugewiesen werden. So wurde zum Beispiel 1860 der Turm mit Zementmörtel verfugt. Dabei verewigten sich die Handwerker auch schriftlich.

 

Text und Fotos: Stefanie Fuchs

© IEK, Universität Heidelberg
 

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Letzte Änderung: 01.11.2012