Ein karolingisches Teilkloster: Reichenau-Niederzell, Kirche und Schrankenanlage (DFG-Projekt)
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Die im Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannte Bodensee-Insel Reichenau umfasst eine der wichtigsten Klosteranlagen Europas aus dem Früh- und Hochmittelalter. Die vielteiligen Klosterstrukturen sind nirgends so gut erhalten und erforscht wie auf der Reichenau.
Das Hauptkloster in Mittelzell und die Stiftskirche St. Georg in Oberzell sind seit 1984 Gegenstand umfassender Forschungen unterschiedlicher Disziplinen. Eine in den Jahren 1970 bis 1977 großflächig angelegte Grabung in der 799 gegründeten Stiftskirche St. Peter und Paul in Niederzell brachte eine Vielzahl an Funden und Befunden zu Tage, mit deren Hilfe die Baugeschichte dieses Teilklosters rekonstruiert werden kann. Die Befunde und Ergebnisse der Grabung wurden jedoch bisher lediglich in Vorberichten publiziert.
Ein Ziel des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten und in Verbindung mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart durchgeführten Projektes ist die Erarbeitung eines gesicherten Gesamtbildes in Bezug auf Baugestalt, Baugeschichte und absoluter Datierung der Kirchengebäude. Als Grundlage dient hierzu die stratigraphische Auswertung der Befunde, die architekturhistorische Einordnung in den südwestdeutschen, alpenländischen und burgundischen Kontext sowie die Einordnung der Funde in den jeweiligen Befundzusammenhang. (Bearbeitung: Sandra Kriszt M.A.)
Ein weiteres Ziel des Forschungsprojektes stellt die wissenschaftliche Katalogisierung und eingehende kunsthistorische Analyse der liturgischen Ausstattung in Form von Schrankenplatten, -pfosten und -fragmenten der karolingischen Kirche dar. Sie dient als Ausgangspunkt einer umfassenden Zusammenschau und kulturhistorischen Einordnung dieser Fundgruppe für das südwestdeutsche Gebiet. Dazu zählen auch die Untersuchung und Erfassung des Steinmaterials, der Bearbeitungstechnik sowie etwaiger Farbspuren. Die Ergebnisse werden anschließend in den alpinen und mediterranen Denkmälerbestand eingebunden. Die parallele Auswertung der Grabungsdokumentation wird schließlich den Grundstock für einen Rekonstruktionsversuch der Schrankenanlage(n) im karolingerzeitlichen Kirchenbau von Niederzell liefern.
Neben der ikonographischen Analyse herausragender Motive des Reichenauer Motivschatzes soll eine ikonologische Untersuchung der auf der Bodensee-Insel angewandten Flechtwerkornamentik Aussagen zum zeitgenössischen Bildverständnis und der Frage nach der Verortung der Motive erbringen. (Bearbeitung: Romina Schiavone M.A.)